Ein Mädchen steht zitternd in der Kälte: Katharina von Bora, abgeschoben und zurück gelassen auf der Türschwelle eines Kosters. Seit sie sechs Jahre. Reformations-Jubiläum wirft Das Erste mit einem mehr als soliden Fernsehfilm ein neues Licht auf das Wirken und Leben der Luthers. Als Kind im Kloster Nimbschen (Sachsen) abgegeben, lebt Katharina von Bora das für sie bestimmte Leben, bis sie mit Anfang 20 durch die Schriften Martin. Nach Luthers Tod erbte Katharina zwar das gemeinsame Vermögen, aber die Pest und der Schmalkaldische Krieg verwüsteten Wittenberg und ihre Besitztümer.
Es dürfte nicht allzu oft vorkommen, dass sich der EKD-Ratsvorsitzende als Filmkritiker versucht. Wenn also Heinrich Bedford-Strohm sich dazu versteigt, 'tief bewegt' zu sein und 'die wunderbaren darstellerischen Leistungen' zu loben, muss er sich zu einem solchen Urteil wirklich berufen fühlen. Nach der Vorab-Premiere des Films am 8. Februar zog der oberste evangelische Bischof gegenüber dem evangelischen Pressedienst ein rührendes Resümee: 'Er hatte eine tiefe Beziehung zu ihr.
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Es gab auch Liebe. Das kann man wohl sagen.' Er, das ist im Rahmen der Reformationsfestspiele natürlich Martin Luther. Bei ihr handelt es sich um Katharina von Bora, deren Leben und Wirken seit 500 Jahren mehr oder weniger im Schatten ihres Gatten standen.
Mit 'Katharina Luther' dreht Regisseurin Julia von Heinz sozusagen die Kamera um und rückt eine angeblich unterbelichtete Nebenrolle der Weltgeschichte in den Fokus: 'Es gibt zu viele Frauen, die hinter ihren Männern unsichtbar sind', sagt die Filmemacherin. Dabei fügte sich die Rolle der ehemaligen Nonne, die dem ehemaligen Mönch als 'starke Frau' zur Seite steht, ihm geschäftlich den Rücken freihält und Mutter seiner Kinder wird, schon früh zur offiziellen Erzählung vom Reformator als großem Aufklärer, der im Privaten sogar die weibliche Emanzipation beförderte.
Im Film schnurrt das auf nicht eben zeitgenössische Sätze wie 'Ich würde mehr von einer Frau erwarten, als nur zu gehorchen' zusammen. Im ARD-Film ist Devid Striesow, eine allein schon physiognomische Idealbesetzung des Reformators, eine wichtige Stütze der Geschichte. Ihre tragende Säule aber ist Karoline Schuch, die der Heldin erst Gesicht und Gestalt gibt. Wir sehen die Welt des 16. Jahrhunderts mit ihren, den Augen einer Frau - und die ruhen bisweilen, aber eben nicht immer auf ihrem Mann. Sie steht tatsächlich im Mittelpunkt.
Keine ömmelige Rollenspielästhetik Ein Wagnis ist diese Perspektive vor allem deshalb, weil der Film sich damit allzu leicht auf das Territorium verkitschter Ermächtigungfantasien hätte verirren können, wie wir sie aus dem Hause Iny Lorentz ('Die Wanderhure') kennen - zumal 'die Lutherin' aus katholischer Sicht nichts anderes war als eben eine 'Ketzerbraut' (ebenfalls Iny Lorentz, Sat.1). In diese Falle tappt 'Katharina Luther' nicht, und das ist seine eigentliche Leistung.
Eine Geschichte aus dieser Epoche zu erzählen, ohne sich der ömmeligen Rollenspielästhetik von Mittelaltermärkten zu bedienen, das muss man erst einmal hinbekommen. Regisseurin von Heinz ('Ich bin dann mal weg') kann sich nicht nur auf das umsichtige Drehbuch von Christian Schnalke und seine schnörkellose Erzählweise verlassen. Auch Kamerafrau Daniela Knapp vermeidet romantisierende Totalen, bleibt ihren Protagonisten immer dicht auf den schmutzigen Fersen, stellt unscharf und verwackelt. Mit der begleitenden Kamera wird die Unsicherheit der Zeiten spürbar. Zusätzlich geht der Blick ins sprechende Detail. Wenn der entflohenen Ordensschwester dämmert, dass die Gesellschaft der frühen Neuzeit ihr nur die Wahl zwischen Freudenhaus und Ehebett lässt, wird dieser Gedanke durch die abgetrennten Flügel eines Pfauenauges in einem Spinnennetz illustriert.
Wenn sie beginnt, sein Gelehrtenleben zu organisieren, hat sie Eisenkraut, Liebstöckel und Schafgarbe aus dem verlassenen Klostergarten in Händen. Schlamm steht in Pfützen, Staub in der Luft. Derlei macht den historischen Hintergrund erfahrbar, vor dem 'Katharina Luther' seine Geschichte erzählt.
Katharina Luther Haus Gütersloh
Es ist die Frau, die sich dem irrlichternden Mann als nützliche Partnerin anbietet: 'Als Mensch bin ich nichts', seufzt Luther: 'Ich bin Gottes Werkzeug. Man kann mich auf der Straße totschlagen, ohne dafür bestraft zu werden!' Katharina beharrt: 'Ich werde nichts tun, was euch belastet. Ihr tut eure Arbeit, und ich werde meine tun.